13.07.23, 19:30 Uhr, Hofgut Oberfeld in Darmstadt: Warum Weidehaltung die Zukunft ist – und was sie für den Naturschutz und die Welternährung bedeutet“
Warum können Weidetiere auch eine Chance für Darmstadt sein? Bei der gemeinsamen Veranstaltung mit der Initiative Domäne Oberfeld geht es um Wanderschäferei in Deutschland und weltweit und um die letzten (Mini)-Nomaden im Rhein-Main-Gebiet. Außerdem erklärt Kathrin Goebel, Bäuerin am Hofgut Oberfeld, warum Weidetiere auch für unseren Acker- und Gemüsebau so wichtig sind. Welche Beweidungsprojekte gibt es bereits in Darmstadt? Wäre eine Stadtschäferei sinnvoll? Tauchen Sie mit uns ein in die Welt der Hirtenvölker, Schäfer*innen und Bäuer*innen und ihren Weidetieren, wir freuen uns auf einen regen Austausch.
13.07.2023 19:30 Uhr
Ort: Hofgut Oberfeld, Erbacher Str. 125, Darmstadt, am alten Kuhstall.
Nutztierhalter
sitzen in der Klemme: Auf der einen Seite sind die Erträge für ihre Produkte
minimal, auf der anderen Seite haben Verbraucher steigende Ansprüche an das
Tierwohl.
Und trotzdem ist es
zu schaffen, wie zwei Autorinnen bei einer Lesung am 25.02. auf dem Hofgut
Oberfeld in Darmstadt mit viel Engagement und vor einem sehr interessierten
Publikum darstellten.
Ruth Häckh ist Schäferin in vierter
Generation und seit 2009 Bioland-Schäferin. In ihrem Buch „Eine für alle – Mein
Leben als Schäferin“ beschreibt sie, warum sie Bio(land) Schäferin ist. Es geht
ihr um das Gesamte, das Wirtschaften im Einklang mit der Natur. Der Biolandbau
erhält die biologische Vielfalt von vielen Pflanzern- und Tierarten, in der
Bio-Landwirtschaft werden Tiere artgerecht gehalten, Weidegang und die damit
verbundene Förderung der Humusschicht des Bodens sind von zentraler Bedeutung.
Es wird auf standortangepasste Rassen, die mit den natürlichen Bedingungen gut
zurechtkommen, Wert gelegt.
Für ihre Schafhaltung haben sich
durch die Umstellung auf „Bio“ kaum Änderungen ergeben, die klassische
Wanderschäferei wirtschaftet von Natur aus ökologisch und klimafreundlich.
Im Kapitel „Kamele in Rajasthan“
berichtet sie über eine Reise zum indischen Camel-Culture-Festival, das von den
indischen Raika Kamelhirten veranstaltet wurde. Sie ist fasziniert von deren
selbstverständlicher Freundlichkeit und von ihrem zufriedenen, fröhlichen Leben
in enger Verbindung zu ihren Tieren und zur Natur. Auf dieser Reise wurde ihr bewusst,
dass Hirten in aller Welt die Aufgabe haben, für den Erhalt von
Lebensgrundlagen und Lebensräumen einzustehen.
Anja Hradetzky aus Stolzenhagen
in Brandenburg ist Autorin des Buches „Wie ich als Cowgirl die Welt bereiste
ohne Land und Geld zur Bio-Bäuerin wurde“ und hat es geschafft, zusammen mit ihrem
Mann, ohne finanzielle Mittel einen Biobauernhof mit Milch- und
Fleischrinderhaltung aufzubauen.
Bei ihrer Lesung erzählte sie von
der Methode der stressarmen Arbeit mit Rindern, dem „Low Stress Stockmanship“,
die sie bei ihrem Aufenthalt auf kanadischen Farmen gelernt hat. Es geht darum,
die Bedürfnisse der Rinder zu kennen und sich ihrem Wesen entsprechend zu
verhalten und zu bewegen. Man braucht kein lautes und aggressives Auftreten, um
eine Rinderherde zu treiben und um Tiere bei Bedarf von der Herde zu
separieren. Man muss den Rindern deutlich machen, dass man kein „Raubtier“ ist,
dass sie einem vertrauen können, dann lassen sie sich in die gewünschte
Richtung dirigieren. Wichtig bei der Haltung von Rindern und Kühen ist es
zudem, dass die Tiere von klein auf an den Menschen gewöhnt sind und artgerecht
mit genügend Auslauf und Sozialkontakt zu Artgenossen gehalten werden. Das
Hüten der Tiere verlangt vom Menschen viel Verantwortungsbewusstsein, was bei
Anjas Schilderung eines gefährlichen Viehtriebs in direkter Nähe zu einem kanadischen
Highway sehr deutlich wird.
Anschließend las sie darüber vor,
wie sie und ihr Mann mit Hilfe von sogenannten „Genussscheinen“, die
Unterstützern, als Gewinn Anteile von den erwirtschafteten Naturalien, in
diesem Falle Fleisch und Milchprodukte bietet, einen kleinen Rinderbestand
kaufen konnten, der seitdem beständig gewachsen ist. Das Weideland konnten sie
in einem Naturschutzgebiet dessen Landschaft durch die Rinder und Kühe nachhaltig
gepflegt und offengehalten wird, günstig pachten. Die Rinder werden ganzjährig
draußen gehalten. Durch die Wahl von ursprünglichen, robusten Rassen (z.B.
Original Allgäuer Braunvieh und Anglerrinder, die zudem Zweinutzungsrassen
sind!) kommen die Tiere gut zurecht und liefern gesunde Nahrungsmittel, die
über den Hof Stolze Kuh direkt vermarktet werden. Ein weiterer sehr positiv zu
erwähnender Ansatz ist die Kuhgebundene Kälberaufzucht.
Das Fazit des Abends war, dass es
möglich ist und sich lohnt, für Ideale in der Tierhaltung einzustehen und
unkonventionelle Wege zu gehen.
Die Lesung wurde im Rahmen eines
aktuellen Misereor-Projekts organisiert, in dem die Liga für Hirtenvölker die
positiven Aspekte der nomadischen Tierhaltung weltweit darstellt. Denn nur auf
diese Weise ist es möglich die 70% der landwirtschaftlichen Nutzfläche, die
sich nicht für den Ackerbau eignen, ressourcenschonend und tierfreundlich zu
bewirtschaften.
Wir möchten Sie schon jetzt auf unsere Lesung hinweisen, die
wir in Zusammenarbeit mit der Initiative Domäne Oberfeld e.V. am
25.02.2020 um 19:30 Uhr veranstalten werden.
Wir freuen uns, dass wir Ruth Häckh und Anja Hradetzky für
die Lesung gewinnen konnten.
Ruth Häckh, Schäferin in vierter Generation, beschreibt in
ihrem Buch „Eine für alle“ sehr persönlich ihr Glück, mit der Natur und ihren Schafen
zu leben, sie schildert aber auch, welche Verantwortung es bedeutet, das ganze
Jahr mit der Herde unterwegs zu sein und mit welchen Problemen Schäfer heute zu
kämpfen haben.
Anja Hradetzky erzählt, wie sie als Cowgirl die Welt bereiste
und ohne Land und Geld zur Bio-Bäuerin wurde. Nach ihrem Ökolandbau-Studium
arbeitete sie mehrere Jahre auf Farmen in Kanada und bei verschiedenen
Ökobetrieben in Europa. Zusammen mit ihrer Familie betreibt sie heute einen ökologisch
wirtschaftenden Milchviehbetrieb in Stolzenhagen an der Oder und gibt Seminare
im stressarmen Umgang mit Kühen.
Beide Autorinnen beschreiben eindringlich ihre Beziehung zu
Nutztieren und schildern, wie sie eine artgerechte Tierhaltung im Einklang mit
der Natur umsetzen. Sie zeigen Wege
in die Zukunft der Tierhaltung auf und können andere Landwirte und
Nutztierhalter inspirieren, neue, individuelle Wege zu gehen! Darüber möchten
wir bei dieser Veranstaltung mit ihnen sprechen – wie kann unsere Tierhaltung
zukunftsfähig werden?
Im Rahmen unserer Reihe „Wege in die Zukunft der Tierhaltung“
möchten wir heute den Eichhof in Ober-Ramstadt vorstellen, da wir hier
sehr viele unserer Kriterien für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung umgesetzt
sehen. Vor unserer Recherche war es uns gar nicht bewusst, dass es einen so
nachhaltig und tiergerecht arbeitenden Betrieb ganz in unserer Nähe gibt. Wir
haben den für die Tiere verantwortlichen Landwirt Herrn Oliver Schiek getroffen
und mit ihm über die Tierhaltung auf dem Eichhof gesprochen.
Herr Schiek ist Landwirt, er stammt
ursprünglich aus Lengfeld und ist beim Besitzer des Eichhofs, Herrn Dr. Klaus Murjahn, der den Hof
vor einigen Jahren kaufte und im Sinne von nachhaltigem Umwelt- und Naturschutz
umgestaltete, angestellt.
Auf dem Hof, der 50 Hektar Acker-
und Weideflächen umfasst, werden Galloway- Hereford- und Angus-Rinder für die
Fleischgewinnung jeweils im Herdenverband überwiegend auf der Weide oder in
großen Offenställen gehalten. Als besonders tierfreundlich ist die
Mutterkuhhaltung hervorzuheben. Die Kälber dürfen für 8 Monate nach der Geburt
bei ihren Müttern bleiben. Die Rinder werden ausschließlich mit Gras und Heu
aus eigenem Anbau gefüttert, sie erhalten kein Kraftfutter. Dadurch nehmen sie zwar
langsamer an Gewicht zu als Tiere in der industriellen Tierhaltung, die mit Soja
und Getreide gefüttert werden, aber ihre Umweltbilanz fällt deutlich positiver
aus. Ein durch Soja-Importe verursachter CO2-Ausstoß entfällt, auch werden
keine Regenwaldflächen für den Soja-Anbau beansprucht.
Neben den Rindern werden auf dem Hof auch gut 500 Hühner in
Freilandhaltung mit zwei mobilen Hühnerställen sogenannten „Hühnermobilen“
gehalten. Durch die mobilen Ställe können immer wechselnde Weideflächen von den
Tieren abgefressen werden. Es handelt sich bei den Hühnern zwar nicht um eine
Zweinutzungsrasse, die sowohl über gute Legeeigenschaften als auch über Fleischgewicht
verfügt, jedoch werden die Hühner, die keine Eier mehr legen geschlachtet und
als Suppenhühner verkauft.
Besonders positiv ist uns aufgefallen, dass der Eichhof mit
den ungarischen Wollschweinen auch bedrohte alte Haustierrassen in seinem Bestand
hält und somit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt dieser Rasse leistet. Das
Fleisch dieser Tiere, hat einen hohen Fettgehalt und gilt als besonders
schmackhaft. Es kann über den Hofladen des Eichhofs erworben werden. Die
„haarigen“, bunten Tiere leben in kleinen Gruppen in Ausläufen mit freiem
Zugang zu einem Innenstall. Sie haben Sozialkontakt zu ihren Artgenossen,
Möglichkeiten im Schlamm oder Sand zu wühlen und viel Bewegungsfreiheit. Ein
weiterer Schweinestall nach neuesten Erkenntnissen artgerechter Schweinehaltung
ist in einem Nachbarort von Ober-Ramstadt bereits in Arbeit.
Die großen an den Hof angrenzenden Weideflächen bieten auch
einer kleinen Herde von Rhönschafen sowie Enten, Gänsen und einigen Eseln ein
natürliches Zuhause.
Nicht nur durch die artgerechte und tierfreundliche
Weidehaltung der Tiere, die durch den Erhalt und die Pflege von Grünland auch
zum Klimaschutz sowie zum Erhalt der Biologischen Vielfalt beiträgt, sondern
auch durch die Gesamtkonzeption des Hofes werden viele wichtige Lebensräume für
Tiere und Pflanzen geschaffen. Die Streuobstwiesen etwa oder auch ein kleiner
Teich bieten vielen Tieren und Pflanzen Nahrungsvielfalt, Brutmöglichkeiten und
Schutz. Diese vielfältigen Lebensräume sind in der intensiven Landwirtschaft
häufig verloren gegangen. Unterstützt wird die Gestaltung der unterschiedlichen
Lebensräume von Biologen und Ornithologen der Deutschen Wildtierstiftung in
Mecklenburg-Vorpommern.
Der Eichhof ist ein konventionell arbeitender bäuerlicher
Landwirtschaftsbetrieb, er hat für seine Produkte bewusst auf Öko- und
Bio-Siegel verzichtet, um bürokratische Auflagen zu vermeiden. Doch ist es
seinem Besitzer Dr. Murjahn gelungen, „ein Zeichen im Sinne von nachhaltigem
Umwelt- und Naturschutz im Grenzbereich eines Industrie- und Gewerbegebietes“ zu
setzen.
Für Ober-Ramstadt ist der Eichhof mit seinem Hofladen und dem
Café eine große Bereicherung, man kann gute tierische Lebensmittel direkt beim
Erzeuger kaufen und vor allem Kinder haben hier die (heute selten gewordene)
Möglichkeit, mit Nutztieren in Kontakt zu kommen und sie in ihrer natürlichen
Umgebung zu erleben.
Rein wirtschaftlich trägt sich der Hof nicht selbst, sondern kann nur durch eigene Mittel des Besitzers in dieser Weise existieren. Es ist die Aufgabe der Politik, die landwirtschaftliche Förderung so zu gestalten, dass diese Tierwohl- und Umwelt-gerechte Produktionsweise auf allen Höfen umgesetzt werden könnte.
Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem gelungenen Buch: “Eine für alle – Mein Leben als Schäferin“. Sie schildern eindrücklich und sehr persönlich den Alltag und Ihren Lebensweg als Berufsschäferin, die schönen Momente ebenso wie die Probleme und Herausforderungen.
Wie ist die bisherige Resonanz auf
Ihr Buch? Welche Rückmeldungen und Fragen Ihrer Leser waren für Sie wichtig?
Schon
jahrelang habe ich Geschichten geschrieben und sie in kleinem Kreis
veröffentlicht. Da habe ich immer wieder festgestellt, wie gut meine
Geschichten über den Schäferalltag und das Schäferleben auch bei Nichtschäfern
ankamen.
Bei mir
selber war ich oft erstaunt, dass wenn ich eine Geschichte nach langer Zeit
nochmal gelesen habe, sie nichts von ihrer Präsenz und Spannung verloren hatte,
auch wenn ich sie schon kannte, ja sogar selber geschrieben hatte.
Beim Buch
war es total spannend zu hören, dass es für jeden Leser, für jede Leserin etwas
anderes war, was ihm oder ihr gefallen hat und wovon er fasziniert war.
„Wenn niemand mehr Tiere essen würde, gäbe es
keine mehr. Auch die artgerecht gehaltenen würden verschwinden…“ (S. 277)
Sie haben auf Ihrem Hof ein
Schlachthaus und schlachten Ihre Tiere selbst, auch wenn dies sachlich
betrachtet ganz klar die tierfreundlichste Methode der Schlachtung ist, wie
kommen Sie emotional damit klar, die Tiere zu töten? Ein Verdrängen, wie es
vermutlich die meisten von den Nicht-Veganern tun, die Fleisch essen, ist in
dieser Situation sicher schwierig, oder?
Zum einen
bin ich damit aufgewachsen, dass Tiere geschlachtet werden, das war in meiner
Kindheit ganz normal, nicht nur die Hammel sondern auch mal eine Sau, also von
daher war es nichts Besonderes.
Zum anderen
ist das ja mein Verdienst, ohne Lämmer zu schlachten und zu verkaufen könnte
ich nicht leben. Als ich mit der Schafhaltung angefangen habe, konnte man noch
davon leben. Heute gibt es viele Gelder ja auch von der Landschaftspflege.
Nun könnte
ich ja trotzdem, anstatt die Lämmer selber zu schlachten sie an einen Händler
verkaufen, der sie auf einen LKW lädt und lebend vom Hof fährt.
Ist das aber
wirklich besser??? Sie stehen für Stunden auf dem LKW, werden über hunderte
Kilometer zum nächsten großen Schlachthof gefahren, stehen da noch über
Stunden, oder gar über Nacht. Womöglich in einem Wartestall neben
Schweinebuchten mit dem ohrenbetäubenden angstvollem Gequieke der Schweine.
Sind vor Angst völlig außer sich.
Will ich das
meinen Lämmern antun, wo ich mich, solange sie bei mir waren, alles nur
Erdenkliche getan habe, damit es ihnen gut geht??? Liegt es da nicht auch in
meiner Verantwortung, sie in der letzten Stunde zu begleiten und darauf zu
achten, dass sie weder Angst noch Stress haben?
„Wie kannst
Du nur Fleisch von einem Tier essen, das Du gekannt hast?“ Werde ich immer
wieder gefragt. Wie kann man Fleisch von einem Tier essen, das man nicht
gekannt hat? Von dem man nicht weiß, wie es gelebt hat? Welches Futter es
bekommen hat? Wieviel Medikamente? Ob es sich jemals mit Artgenossen unter
freiem Himmel bewegen konnte, oder eng in dunklen Ställen mit Kunstlicht
eingesperrt war? Man geht mit seinem Haustier spazieren, schaut, dass es alles
hat, was zu seinem Wohlbefinden beiträgt, doch beim Schnitzel im Teller ist es
nur wichtig, dass es billig ist. Wieso ist das Leben und Wohlbefinden einer
Tierart so viel mehr wert, wie das einer anderen? Wieso maßt sich der Mensch
das an? „Wie kann man nur?“ Wenn jeder, der Fleisch essen wollte, die Tiere
auch selber schlachten müsste, sähe unsere Welt ganz anders aus.
Was könnte gemacht werden, um das
Wandern der Schäfer wieder besser zu ermöglichen? Wie kann das Überleben des
Berufs unterstützt werden?
Das mit dem
Wandern ist eine ganz schwierige Sache, wir können das Rad der Zeit nicht
zurückdrehen, Straßen und Bebauung rückgängig machen. Was dem Wandern aber am
meisten im Wege steht, ist die Intensivierung der Landwirtschaft. Fast alle
Wiesen sind mit Gülle oder Biogassubstrat bedeckt, worauf die Schafe nicht
fressen und sie so unterwegs kein Futter mehr finden.
Um das
Überleben des Berufsstandes zu unterstützen, wäre es notwendig, dass ein
Schäfer auch ausrechend Einkommen hat, um seine Familie zu ernähren.
Zum einen
besteht sein Einkommen aus dem Verkauf von Lämmern. Da das Lammfleisch jedoch
so günstig aus Neuseeland und anderen Ländern zu uns kommt, sind wir gezwungen,
unsere Lämmer weit unter einem Preis zu verkaufen, der einen auskömmlichen
Lebensunterhalt sichern würde. Hier ist jeder einzelne gefragt, eben nicht nur
auf den Preis zu schauen, sondern auch die heimischen Schäfer zu unterstützen.
Wer keinen Schäfer vor seiner Haustüre hat, kann inzwischen auch im Internet
bestellen unter:
Zum anderen
bekommen Schäfer Gelder aus der Landschaftspflege, doch auch die sind nicht
ausreichend, um mit einem Schäfereibetrieb gut über die Runden zu kommen. Hier
ist die Politik gefragt, die Leistungen der Schäfer als agrarökologische
Dienstleiter angemessen zu unterstützen. Im Sommer 2018 gab es von Seiten der
Schäfer die Forderung nach einer Weidetierprämie. Die wurde jedoch abgelehnt.
Jeder Politiker beteuert, wie wichtig die Leistungen der Schäfereien sind, doch
von schönen Worten können wir leider keine Rechnungen bezahlen.
Sie berichten in Ihrem Buch von Ihrer
Reise nach Rajasthan und dem Besuch bei den indischen Kamelnomaden, den Raika.
Wie hat Sie diese Erfahrung geprägt?
Es war genau
das, was ich auf dem Welthirtentreffen 2013 in Nairobi, wo sich Hirten aus
aller Welt getroffen haben, auch schon erfahren habe.
Wir Hirten
kommen aus verschiedenen Kontinenten, haben verschiedene Hautfarben,
verschiedene Kulturen, sprechen andere Sprachen und doch sind wir durch unser
Leben als Hirten auf eine ganz einzigartige enge Weise miteinander verbunden.
Als ich in
Rajasthan neben Raikas auf dem Feld bei ihren Kamelen saß, frische Kamelmilch
aus einem Blatt trinkend, war ich zuhause, es war wie meine Familie, kein
Unterschied, so sehr verbindet uns unser Lebensstil miteinander. Wir leben mit
den Tieren, von den Tieren und für die Tiere.
Sie waren auch auf Farmen in
Australien und Neuseeland im Einsatz. Wie sieht Ihre Einschätzung der Zukunft
der Hirten aus? Wie können wir ihre Kulturen und ihre damit verbundenen
Leistungen für die Ernährungs-sicherung, die Biodiversität und den Klimaschutz
langfristig erhalten?
Langfristig
kann das Hirtentum nur erhalten werden, wenn es wertgeschätzt und honoriert
wird. Hirten und ihre Herden brauchen den ungehinderten Zugang zu Weideland,
den Zugang zu Wasser, ihre Wanderrouten müssen erhalten bleiben. Hirten können
mit ihren Herden da weiden, wo das Land anderweitig nicht für die menschliche
Ernährung nutzbar ist und sie erzeugen gleichzeitig hochwertiges gesundes
Fleisch. Hirten und ihre Herden pflegen die artenreichsten Landschaften und
tragen so zur Biodiversität bei. Hirten scheinen ein Relikt aus der
Vergangenheit, doch sie sind durch ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
ultramodern.