Die Liga für Hirtenvölker und nachhaltige Viehwirtschaft e.V. setzt sich für eine ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Nutztierhaltung ein. Wir unterstützen Hirten und Kleinbauern in Entwicklungsländern durch Forschungsaktivitäten, Beratung und Vermarktungshilfen. Aber auch die Zukunft der Nutztierhaltung in Deutschland ist uns ein wichtiges Anliegen, denn es gibt viele Parallelen. Die Pole Nord und Süd sind nicht so entgegengesetzt wie man vielleicht vermuten könnte.

Die Situation international – die Bedeutung der Nutztierhaltung

Von den weltweit 1,4 Milliarden  Armen (tägliches Einkommen unter 1,25 US Dollar) erwirtschaften etwa 70% zumindest teilweise ihren Lebensunterhalt durch Viehhaltung. Nutztiere schaffen Einkommen, liefern Lebensmittel, Wolle, Brennmaterial, Dünger und dienen als Transportmittel. Sie agieren, besonders in Entwicklungsländern als „Bank auf Hufen“ und bilden die Grundlage vieler sozialer Strukturen. Sie sind in vielfacher Hinsicht eine sichere Kapitalanlage und bieten den Hirten eine nachhaltige Perspektive.

Neben der wichtigen Rolle, die sie im Rahmen der Ernährungssicherung spielen, leisten Hirten und Kleinbauern mit ihren traditionellen Nutztierrassen wichtige Beiträge zum Umweltschutz und zum Erhalt der Biodiversität.

Der Trend in der Nutztierhaltung geht jedoch weltweit hin zum Modell der industriell geprägten Tierhaltung, die sich einzig am mengenmäßig erzielten Ertrag der Tiere orientiert und die Konsequenzen für Menschen, Tiere und Umwelt ignoriert. Hochleistungsrassen haben eine deutlich höhere Milch,-, Fleisch-, oder Legeleistung, sind jedoch auf spezielles Futter, das lokal meist nicht zur Verfügung steht, klimatisierte Ställe und vermehrte Antibiotikagaben angewiesen. Die für diese Tiere benötigten Stallanlagen können in der Regel nur von Großbetrieben finanziert werden, die lokal angesiedelte Viehhalter und deren an die jeweilige Vegetation und klimatische Situation angepassten Rassen vom Markt verdrängen, da diese zu dem entsprechend niedrigeren Preis nicht produzieren können. Die Konsequenz: Ländliche Arbeitsplätze gehen verloren und die Kleinbauern werden zur Abwanderung in die Slums der Großstädte gezwungen.

Neben den erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt durch Gülleproduktion und CO2- Emissionen, begünstigen die großen Stallanlagen den Ausbruch von Epidemien und machen den routinemäßigen Einsatz von Antibiotika erforderlich. Die Futtergewinnung für Hochleistungstiere gestaltet sich aufgrund des hohen Bedarfs an Düngemitteln sehr energieaufwendig und ist vor Ort oft gar nicht zu leisten, was wiederum lange Transportwege und  eine hohen Verbrauch Treibstoff zur Folge hat.

Diesen Entwicklungen möchte die Liga für Hirtenvölker und nachhaltige Viehwirtschaft e.V. ent- gegenwirken, indem sie international für die Rechte von Nomaden und Kleinbauern eintritt, Vertreter von Hirtenverbänden die Teilnahme an internationalen Konferenzen, die dieses Thema betreffen, ermöglicht und die Bedeutung ihrer vielfältigen Leistungen für Menschen, Tiere und Umwelt dokumentiert und in Diskussionen einbringt.

 

Nutztierhaltung in Deutschland – Diskussion über Tierwohl, Antibiotika und Massentierhaltung

Das Kernproblem der Nutztierhaltung betrifft die Nordhalbkugel und die Länder des Südens in gleichem Maße. Auch in Deutschland stehen kleine und mittelständische Betriebe vor der Frage, wie sie künftig weiter durch Tierhaltung und Landwirtschaft ihren Lebensunterhalt erwirtschaften sollen. Die starke Entwicklung in Richtung industrielle Großbetriebe ist nicht von der Hand zu weisen und viele Familienbetriebe können zu den Billigpreisen dieser Betriebe nicht produzieren. Ebenfalls schwierig ist die Arbeitssituation der Schäfer in Deutschland. Sowohl der Verlust an Weide-bzw.- Naturschutzflächen durch die EEG-Förderung (Erneuerbare-Energien-Gesetz) als auch die wachsenden bürokratischen Auflagen besonders durch die Einzeltierkennzeichnungspflicht stellen große Probleme dar. Die Verknappung landwirtschaftlicher Nutzflächen für Acker- und Weideland trägt dazu bei, dass Höfe für  ihre Tiere nicht mehr ausreichend Weideland zur Verfügung haben, Ackerböden müssen unter dem Einsatz hoher Düngermengen bis an ihr Maximum beansprucht werden.

Die aktuelle Diskussion über Massentierhaltung, Tierwohl, Antibiotikaeinsatz und gesunde Nahrungsmittel ist ein wichtiger Motor für die Änderung der derzeitigen Situation. Das Kaufverhalten der Verbraucher ist ein möglicher Faktor, die bestehenden Verhältnisse in der Tiermast zu beeinflussen, der Verbraucher allein wird aber vermutlich nicht in der Lage sein, einen Wandel des Systems zu bewirken. Gesetzliche Vorgaben und eine gezielte Förderung bäuerlicher Landwirtschaftsbetriebe wären wünschenswert, um die Zukunft der Nutztierhaltung in eine tierfreundliche und nachhaltige Richtung zu beeinflussen.

Unser Ansatz

Die Liga für Hirtenvölker und nachhaltige Viehwirtschaft hält hier ein grundsätzliches Umdenken, eine grundlegende Änderung des Systems für dringend erforderlich. Langfristig können die negativen Konsequenzen einer ausschließlich auf Wachstum und Produktionsmaximierung ausgerichteten Landwirtschaft nicht ausgeblendet werden – es steht zu viel auf dem Spiel.

Neben den Umweltschäden, die durch die Emissionen der industriellen Tiermastbetriebe entstehen, sind die gesundheitlichen Folgen des routinemäßigen Antibiotikaeinsatzes wie auch das Risiko für die Ausbreitung von Krankheitserregern durch die großen Tierbestände kaum abzusehen. Die unwürdigen Zustände in Großställen, besonders in der Schweine- und Geflügelmast sind auch für die Menschen, die dort arbeiten, häufig unzumutbar. Qualzüchtungen, wie etwa bei Puten, die sich vor dem Schlachten kaum noch auf den Beinen halten können, weil ihr Skelett die eigene Fleischmasse nicht mehr trägt, sind nicht nur unter tierschutzrelevanten Gesichtspunkten zu verurteilen, sondern verdeutlichen, wohin die Reduzierung der tiergenetischen Ressourcen auf wenige Hochleistungsrassen führt. Auch in der ökologischen Tierhaltung stellen überzüchtete Rassen ein Problem dar. Bestimmte Hühnerrassen etwa können das angebotene Futter nicht verwerten, zu schwere Muttersauen, deren Knochenbau und Muskelmasse nicht für ihr Gewicht ausgelegt ist,   erdrücken ihre Ferkel, da sie das eigene Gewicht beim Ablegen nicht ausbalancieren können.

Die Diskussion über Tierwohl darf nicht bei Fragen der Haltung  der Tiere enden, sondern muss dringend Aspekte der genetischen Ressourcen einbeziehen.  Nutztierhalter tragen eine große Verantwortung gegenüber ihren Rassen, deren Vielfalt nicht leichtfertig „weggezüchtet“ werden darf!

Für uns ist der Dialog auf nationaler und internationaler Ebene ein wichtiges Mittel, Probleme aufzuzeigen und an ihrer Lösung zu arbeiten. Die Verbindung „gleichgesinnten“ Organisationen ist uns wichtig, die Vernetzung stärkt den Einfluss auf die Situation. Durch Studien und Dokumentationen belegen  wir unseren Ansatz und weisen auf die Bedeutung traditioneller Tierkulturen hin.