Hofportrait: Der Eichhof in Ober-Ramstadt

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Im Rahmen unserer Reihe „Wege in die Zukunft der Tierhaltung“ möchten wir heute den Eichhof in Ober-Ramstadt vorstellen, da wir hier sehr viele unserer Kriterien für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung umgesetzt sehen. Vor unserer Recherche war es uns gar nicht bewusst, dass es einen so nachhaltig und tiergerecht arbeitenden Betrieb ganz in unserer Nähe gibt. Wir haben den für die Tiere verantwortlichen Landwirt Herrn Oliver Schiek getroffen und mit ihm über die Tierhaltung auf dem Eichhof gesprochen.

Herr Schiek ist Landwirt, er stammt ursprünglich aus Lengfeld und ist beim Besitzer des  Eichhofs, Herrn Dr. Klaus Murjahn, der den Hof vor einigen Jahren kaufte und im Sinne von nachhaltigem Umwelt- und Naturschutz umgestaltete, angestellt.

Auf dem Hof, der 50 Hektar Acker- und Weideflächen umfasst, werden Galloway- Hereford- und Angus-Rinder für die Fleischgewinnung jeweils im Herdenverband überwiegend auf der Weide oder in großen Offenställen gehalten. Als besonders tierfreundlich ist die Mutterkuhhaltung hervorzuheben. Die Kälber dürfen für 8 Monate nach der Geburt bei ihren Müttern bleiben. Die Rinder werden ausschließlich mit Gras und Heu aus eigenem Anbau gefüttert, sie erhalten kein Kraftfutter. Dadurch nehmen sie zwar langsamer an Gewicht zu als Tiere in der industriellen Tierhaltung, die mit Soja und Getreide gefüttert werden, aber ihre Umweltbilanz fällt deutlich positiver aus. Ein durch Soja-Importe verursachter CO2-Ausstoß entfällt, auch werden keine Regenwaldflächen für den Soja-Anbau beansprucht.

Neben den Rindern werden auf dem Hof auch gut 500 Hühner in Freilandhaltung mit zwei mobilen Hühnerställen sogenannten „Hühnermobilen“ gehalten. Durch die mobilen Ställe können immer wechselnde Weideflächen von den Tieren abgefressen werden. Es handelt sich bei den Hühnern zwar nicht um eine Zweinutzungsrasse, die sowohl über gute Legeeigenschaften als auch über Fleischgewicht verfügt, jedoch werden die Hühner, die keine Eier mehr legen geschlachtet und als Suppenhühner verkauft.

Besonders positiv ist uns aufgefallen, dass der Eichhof mit den ungarischen Wollschweinen auch bedrohte alte Haustierrassen in seinem Bestand hält und somit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt dieser Rasse leistet. Das Fleisch dieser Tiere, hat einen hohen Fettgehalt und gilt als besonders schmackhaft. Es kann über den Hofladen des Eichhofs erworben werden. Die „haarigen“, bunten Tiere leben in kleinen Gruppen in Ausläufen mit freiem Zugang zu einem Innenstall. Sie haben Sozialkontakt zu ihren Artgenossen, Möglichkeiten im Schlamm oder Sand zu wühlen und viel Bewegungsfreiheit. Ein weiterer Schweinestall nach neuesten Erkenntnissen artgerechter Schweinehaltung ist in einem Nachbarort von Ober-Ramstadt bereits in Arbeit.

Die großen an den Hof angrenzenden Weideflächen bieten auch einer kleinen Herde von Rhönschafen sowie Enten, Gänsen und einigen Eseln ein natürliches Zuhause.

Nicht nur durch die artgerechte und tierfreundliche Weidehaltung der Tiere, die durch den Erhalt und die Pflege von Grünland auch zum Klimaschutz sowie zum Erhalt der Biologischen Vielfalt beiträgt, sondern auch durch die Gesamtkonzeption des Hofes werden viele wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschaffen. Die Streuobstwiesen etwa oder auch ein kleiner Teich bieten vielen Tieren und Pflanzen Nahrungsvielfalt, Brutmöglichkeiten und Schutz. Diese vielfältigen Lebensräume sind in der intensiven Landwirtschaft häufig verloren gegangen. Unterstützt wird die Gestaltung der unterschiedlichen Lebensräume von Biologen und Ornithologen der Deutschen Wildtierstiftung in Mecklenburg-Vorpommern.

Der Eichhof ist ein konventionell arbeitender bäuerlicher Landwirtschaftsbetrieb, er hat für seine Produkte bewusst auf Öko- und Bio-Siegel verzichtet, um bürokratische Auflagen zu vermeiden. Doch ist es seinem Besitzer Dr. Murjahn gelungen, „ein Zeichen im Sinne von nachhaltigem Umwelt- und Naturschutz im Grenzbereich eines Industrie- und Gewerbegebietes“ zu setzen.

Für Ober-Ramstadt ist der Eichhof mit seinem Hofladen und dem Café eine große Bereicherung, man kann gute tierische Lebensmittel direkt beim Erzeuger kaufen und vor allem Kinder haben hier die (heute selten gewordene) Möglichkeit, mit Nutztieren in Kontakt zu kommen und sie in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben.

Rein wirtschaftlich trägt sich der Hof nicht selbst, sondern kann nur durch eigene Mittel des Besitzers in dieser Weise existieren. Es ist die Aufgabe der Politik, die landwirtschaftliche Förderung so zu gestalten, dass diese Tierwohl- und Umwelt-gerechte Produktionsweise auf allen Höfen umgesetzt werden könnte.

www.der-eichhof.de

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Interview mit der Schäferin Ruth Häckh

(Umschlagfoto: Verena Müller)

Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem gelungenen Buch: “Eine für alle – Mein Leben als Schäferin“.  Sie schildern eindrücklich und sehr persönlich den Alltag und Ihren Lebensweg als Berufsschäferin, die schönen Momente ebenso wie die Probleme und Herausforderungen.

Wie ist die bisherige Resonanz auf Ihr Buch? Welche Rückmeldungen und Fragen Ihrer Leser waren für Sie wichtig?

Schon jahrelang habe ich Geschichten geschrieben und sie in kleinem Kreis veröffentlicht. Da habe ich immer wieder festgestellt, wie gut meine Geschichten über den Schäferalltag und das Schäferleben auch bei Nichtschäfern ankamen.

Bei mir selber war ich oft erstaunt, dass wenn ich eine Geschichte nach langer Zeit nochmal gelesen habe, sie nichts von ihrer Präsenz und Spannung verloren hatte, auch wenn ich sie schon kannte, ja sogar selber geschrieben hatte.

Beim Buch war es total spannend zu hören, dass es für jeden Leser, für jede Leserin etwas anderes war, was ihm oder ihr gefallen hat und wovon er fasziniert war.

Wenn niemand mehr Tiere essen würde, gäbe es keine mehr. Auch die artgerecht gehaltenen würden verschwinden…“ (S. 277)

Sie haben auf Ihrem Hof ein Schlachthaus und schlachten Ihre Tiere selbst, auch wenn dies sachlich betrachtet ganz klar die tierfreundlichste Methode der Schlachtung ist, wie kommen Sie emotional damit klar, die Tiere zu töten? Ein Verdrängen, wie es vermutlich die meisten von den Nicht-Veganern tun, die Fleisch essen, ist in dieser Situation sicher schwierig, oder?

Zum einen bin ich damit aufgewachsen, dass Tiere geschlachtet werden, das war in meiner Kindheit ganz normal, nicht nur die Hammel sondern auch mal eine Sau, also von daher war es nichts Besonderes.

Zum anderen ist das ja mein Verdienst, ohne Lämmer zu schlachten und zu verkaufen könnte ich nicht leben. Als ich mit der Schafhaltung angefangen habe, konnte man noch davon leben. Heute gibt es viele Gelder ja auch von der Landschaftspflege.

Nun könnte ich ja trotzdem, anstatt die Lämmer selber zu schlachten sie an einen Händler verkaufen, der sie auf einen LKW lädt und lebend vom Hof fährt.

Ist das aber wirklich besser??? Sie stehen für Stunden auf dem LKW, werden über hunderte Kilometer zum nächsten großen Schlachthof gefahren, stehen da noch über Stunden, oder gar über Nacht. Womöglich in einem Wartestall neben Schweinebuchten mit dem ohrenbetäubenden angstvollem Gequieke der Schweine. Sind vor Angst völlig außer sich.

Will ich das meinen Lämmern antun, wo ich mich, solange sie bei mir waren, alles nur Erdenkliche getan habe, damit es ihnen gut geht??? Liegt es da nicht auch in meiner Verantwortung, sie in der letzten Stunde zu begleiten und darauf zu achten, dass sie weder Angst noch Stress haben?

„Wie kannst Du nur Fleisch von einem Tier essen, das Du gekannt hast?“ Werde ich immer wieder gefragt. Wie kann man Fleisch von einem Tier essen, das man nicht gekannt hat? Von dem man nicht weiß, wie es gelebt hat? Welches Futter es bekommen hat? Wieviel Medikamente? Ob es sich jemals mit Artgenossen unter freiem Himmel bewegen konnte, oder eng in dunklen Ställen mit Kunstlicht eingesperrt war? Man geht mit seinem Haustier spazieren, schaut, dass es alles hat, was zu seinem Wohlbefinden beiträgt, doch beim Schnitzel im Teller ist es nur wichtig, dass es billig ist. Wieso ist das Leben und Wohlbefinden einer Tierart so viel mehr wert, wie das einer anderen? Wieso maßt sich der Mensch das an? „Wie kann man nur?“ Wenn jeder, der Fleisch essen wollte, die Tiere auch selber schlachten müsste, sähe unsere Welt ganz anders aus.

Was könnte gemacht werden, um das Wandern der Schäfer wieder besser zu ermöglichen? Wie kann das Überleben des Berufs unterstützt werden?

Das mit dem Wandern ist eine ganz schwierige Sache, wir können das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, Straßen und Bebauung rückgängig machen. Was dem Wandern aber am meisten im Wege steht, ist die Intensivierung der Landwirtschaft. Fast alle Wiesen sind mit Gülle oder Biogassubstrat bedeckt, worauf die Schafe nicht fressen und sie so unterwegs kein Futter mehr finden.

Um das Überleben des Berufsstandes zu unterstützen, wäre es notwendig, dass ein Schäfer auch ausrechend Einkommen hat, um seine Familie zu ernähren.

Zum einen besteht sein Einkommen aus dem Verkauf von Lämmern. Da das Lammfleisch jedoch so günstig aus Neuseeland und anderen Ländern zu uns kommt, sind wir gezwungen, unsere Lämmer weit unter einem Preis zu verkaufen, der einen auskömmlichen Lebensunterhalt sichern würde. Hier ist jeder einzelne gefragt, eben nicht nur auf den Preis zu schauen, sondern auch die heimischen Schäfer zu unterstützen. Wer keinen Schäfer vor seiner Haustüre hat, kann inzwischen auch im Internet bestellen unter:

 www.genuss-vom-schaefer.de

Zum anderen bekommen Schäfer Gelder aus der Landschaftspflege, doch auch die sind nicht ausreichend, um mit einem Schäfereibetrieb gut über die Runden zu kommen. Hier ist die Politik gefragt, die Leistungen der Schäfer als agrarökologische Dienstleiter angemessen zu unterstützen. Im Sommer 2018 gab es von Seiten der Schäfer die Forderung nach einer Weidetierprämie. Die wurde jedoch abgelehnt. Jeder Politiker beteuert, wie wichtig die Leistungen der Schäfereien sind, doch von schönen Worten können wir leider keine Rechnungen bezahlen.

Sie berichten in Ihrem Buch von Ihrer Reise nach Rajasthan und dem Besuch bei den indischen Kamelnomaden, den Raika. Wie hat Sie diese Erfahrung geprägt?

Es war genau das, was ich auf dem Welthirtentreffen 2013 in Nairobi, wo sich Hirten aus aller Welt getroffen haben, auch schon erfahren habe.

Wir Hirten kommen aus verschiedenen Kontinenten, haben verschiedene Hautfarben, verschiedene Kulturen, sprechen andere Sprachen und doch sind wir durch unser Leben als Hirten auf eine ganz einzigartige enge Weise miteinander verbunden.

Als ich in Rajasthan neben Raikas auf dem Feld bei ihren Kamelen saß, frische Kamelmilch aus einem Blatt trinkend, war ich zuhause, es war wie meine Familie, kein Unterschied, so sehr verbindet uns unser Lebensstil miteinander. Wir leben mit den Tieren, von den Tieren und für die Tiere.

Sie waren auch auf Farmen in Australien und Neuseeland im Einsatz. Wie sieht Ihre Einschätzung der Zukunft der Hirten aus? Wie können wir ihre Kulturen und ihre damit verbundenen Leistungen für die Ernährungs-sicherung, die Biodiversität und den Klimaschutz langfristig erhalten?

Langfristig kann das Hirtentum nur erhalten werden, wenn es wertgeschätzt und honoriert wird. Hirten und ihre Herden brauchen den ungehinderten Zugang zu Weideland, den Zugang zu Wasser, ihre Wanderrouten müssen erhalten bleiben. Hirten können mit ihren Herden da weiden, wo das Land anderweitig nicht für die menschliche Ernährung nutzbar ist und sie erzeugen gleichzeitig hochwertiges gesundes Fleisch. Hirten und ihre Herden pflegen die artenreichsten Landschaften und tragen so zur Biodiversität bei. Hirten scheinen ein Relikt aus der Vergangenheit, doch sie sind durch ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ultramodern.

Ruth Häckh

(© Werner Renner)

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(© Werner Renner)

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Kriterienkatalog für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung – Wege in die Zukunft der Tierhaltung

Folgende Kriterien halten wir im Hinblick auf eine zukünftige Tierhaltung, die die Bedürfnisse von Menschen, Tieren und Umwelt berücksichtigt, für besonders wichtig:

Idealerweise sind alle diese Kriterien erfüllt, unsere Positivbeispiele können aber auch die teilweise Umsetzung dieser Ziele als einen Schritt/Weg in die richtige Richtung darstellen.

  1.  Bewegung – die Tiere sind nicht im Stall (Ställe nur als Witterungsschutz)
  2. fressen – entweder „Abfall“/Beiprodukte“ oder natürliche Vegetation,
  3.  Haltung im Herdenverband und keine Trennung von Müttern und Kälbern/Lämmern, etc.
  4.  Begrenzter therapeutischer Einsatz von Antibiotika
  5.  Tierhalter/Landwirte/Hirten können von der Tierhaltung eventuell in Kombination mit anderen Angeboten (Gemüseanbau, Urlaub auf dem Bauernhof etc.) ihren Lebensunterhalt sichern.
  6. Mehrnutzungstiere – also solche, bei denen sowohl die männlichen Tiere zur Fleischgewinnung als auch die weiblichen für Milch- oder andere Produktion genutzt werden. Keine reinen Milch- oder Eierrassen.

Von besonderer Bedeutung für eine nachhaltige Ausrichtung der Tierhaltung sind zudem diese ergänzenden Leistungen, die zum Umwelt- und Klimaschutz sowie zum Erhalt der Biodiversität beitragen:

Die Haltung alter, gefährdeter Nutztierrassen

Besondere Naturschutzleistungen z.B. Blühstreifen/ Pflanzenvielfalt im Weide- Auslaufbereich

Beweidung nicht ackerfähiger Areale

Schwalben- und Fledermausfreundliche Höfe etc.

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Wie verringern wir den ökologischen Fußabdruck der Nutztierhaltung?

Dieses Projekt hat das Ziel, ein gesellschaftliches Umdenken zu bewirken. Es sollen positive Beispiele in der Nutztierhaltung vorgestellt und bekannter gemacht werden. Wanderschäfer etwa praktizieren ein für Tiere und Umwelt ideales Modell der Nutztierhaltung (artgerechte Nutztierhaltung, Produktion gesunder Nahrungsmittel und Ressourcenschutz) – trotzdem ist ihr Beruf vom Aussterben bedroht, ihre Leistung in der Landschaftspflege und im Naturschutz vielen Menschen nicht bewusst. Dass Weidehaltung von Milchkühen (Robustrassen müssen hierfür erhalten werden) nicht nur artgerechter ist, sondern auch dem Erhalt von Grünland dienen und so dem Klimaschutz dienen kann, sollte in der Gesellschaft bekannter werden. Das Projekt soll Menschen für gute Ansätze sensibilisieren und andere motivieren, die Nutztierhaltung auch durch individuelle Lösungen besser zu machen.

Mit diesem Projekt hat die Liga für Hirtenvölker und nachhaltige Viehwirtschaft den Ideenwettbewerb #Socialvision des SV Darmstadt 98 und der Spotconsulting GmbH gewonnen und wird bei dessen Umsetzung durch ein Projektcoaching der Spotconsulting GmbH unterstützt.

Der Film zum Ideenwettbewerb: imzeichenderlilie.de

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Raika Kamelmilch in die Slow Food Arche des Geschmacks aufgenommen

Wir freuen uns, die Aufnahme der Raika Kamelmilch in die Slow Food Arche des Geschmacks bekannt zu geben und gratulieren der Kumbhalgarh Kamelmilchmolkerei zu diesem Erfolg! Das internationale Projekt „Arche des Geschmacks“ der Slow Food Stiftung für Biodiversität schützt weltweit regional wertvolle Lebensmittel, Nutztierarten und Kulturpflanzen vor dem Vergessen und Verschwinden, die unter den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen am Markt nicht bestehen oder „aus der Mode“ gekommen sind. 

(© Hanwant Singh)

Mehr Informationen unter:
https://www.fondazioneslowfood.com/
https://www.slowfood.de/ 

Das Raika Kamelmilch-Projekt wird unterstützt von Bettina Bock, dem Hand in Hand-Fonds, Misereor und von Start-Up Oasis.

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